Chemsex-Dialoge
Über die Serie
Chemsex-Partys in Wien sind für viele queere Menschen (1) zum primären Raum sexueller Erfahrung geworden – Orte, die zunächst Aufregung, sinnliche Intensität und romantische Hoffnung versprechen. Doch diese Hoffnung erodiert häufig mit der Zeit. Als Künstler und Beobachter nehme ich diese Spannungen wahr: zwischen Verheißung und Entleerung, zwischen Gemeinschaft und Vereinzelung, zwischen Begehren und Selbstzerstörung.
Gleichzeitig sehe ich etwas anderes: Diese Räume werden von außen ignoriert, tabuisiert, verurteilt – oder schlimmer noch, instrumentalisiert als exotische Kulisse für diejenigen, die sich als „offen" und „tolerant" fühlen möchten, ohne dabei wirklich hinzuschauen. Das ist nicht harmlos. Es ist politisch gefährlich. Denn während queere Menschen in diesen Grenzbereichen leben, kämpfen, leiden, bleibt die Mehrheitsgesellschaft stumm, wenn es um echte Rechte, Schutz und Würde geht. Vielmehr ist die Mehrheitsgesellschaft für viele Wunden verantwortlich, die die queere Community erleidet. Als Reaktion auf die Verwundung behandeln queere Personen sich selbst – und dabei ist Chemsex auch eines der Therapiekonzepte.
Diese doppelte Abwertung – sowohl von innen (Selbstzerstörung) als auch von außen (Gleichgültigkeit und Ausschluss) – ist der Ausgangspunkt meiner künstlerischen Arbeit. Ich beobachte, übersetze, verdichte. Ich mache sichtbar, was nicht sichtbar sein darf. Nicht um anzuklagen, sondern um Komplexität zu zeigen: Diese Räume sind real. Diese Menschen existieren. Diese Erfahrungen zählen.
Meine Arbeiten entstehen aus dieser Position der aufmerksamen Betrachtung heraus. Sie dokumentieren nicht im klassischen Sinne – sie übersetzen. Die frühen Collagen und Assemblagen der Serie Chemsex-Dialog sind noch durchdrungen von ästhetischem Anspruch, von Zeit und emotionaler Energie. Mit fortschreitender zeitlicher Entwicklung tritt eine Verschiebung auf: Die Intimität weicht der Serie. Einzelne Körper werden zu wiederholten Fragmenten, Schwänze zu austauschbaren Elementen. In ihrer Masse verlieren sie Würde, wirken absurd, traurig, obszön – manchmal alles gleichzeitig. Die Kunstwerke sind schön; die Realität dieser Räume ist oft brutal. Ich spiele bewusst mit dieser Diskrepanz.
Das ist nicht Anklage ohne Ausweg. Zentral für mein Verständnis ist: Dialog ist Einladung, aber Dialog setzt Ehrlichkeit voraus. Diese Ausstellung soll Perspektiven der LGBTIQ+ Community integrieren – kritische, neutrale, liebevolle Stimmen – ohne moralische Hierarchie. Es geht nicht um richtig oder falsch. Es geht darum, einen Raum zu öffnen, in dem Komplexität existieren darf. Aber nur, wenn wir alle bereit sind, wirklich hinzuschauen. Nicht als Voyeure. Sondern als Menschen, die verstehen wollen.
(1) Queere Personen trifft als Begriff nicht vollumfänglich zu. Im Fall der Chemsex-Parties sind vornehmlich schwule und bisexuelle Männer gemeint, sowie generell Männer, die Sex mit Männern haben. Somit ist der bessere, weil inkludierende Begriff an dieser Stelle und mit Bezug auf Chemsex "MSM" bzw. Männer, die Sex mit Männern haben.